Die Skalen des englischen Proportionalzirkels (sector)
Proportionalzirkel waren zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert ein wesentlicher Bestandteil der Ausrüstung von Architekten und Karthographen, speziell in England. Hier einige "Drawing Sets" aus dem 19. Jahrhundert. In der Regel war der Proportionalzirkel kombiniert mit einem verstellbaren Parallelenlineal und einem "Protractor", auf dem Maßstabsskalen und Winkel abgegriffen werden konnten und einem Satz von Stech- und Zeichenzirkeln.
Manche Autoren bezweifeln den praktischen Nutzen dieses Instruments, so Chris Sangwin in "How to use a sector": Obwohl der Proportionalzirkel ein Standard-Bestandteil in einer Zusammenstellung mathematischer Instrumente war, gibt es wenig Beweise dafür, dass solche Zirkel überhaupt für praktische Berechnungen genutzt worden sind. Tatsächlich wären die kleinen Tascheninstrumente von wenig oder gar keinem Nutzen gewesen wegen der Schwierigkeit ihres genauen Gebrauchs. Die Spitzen des Stechzirkels beschädigen die Skalen bei regelmäßigem Gebrauch, was die Genauigkeit des Proportionalzirkels noch mehr herabsetzt. Die Anzahl von gut erhaltenen Proportionalzirkeln, die es heute noch gibt, verleiht der Meinung Gewicht, dass sie in der Praxis wenig benutzt wurden."
Skalen der Vorderseite:
Die Skala am Rand ist eine Zollskala mit Zehntelzollteilung. Sie dient als Maßskala, kann aber auch zum Addieren von Dezimalzahlen mit dem Stechzirkel verwendet werden. Um sie zu verwenden, wird der Proportionalzirkel vollständig aufgeklappt.
An der nicht sichtbaren äußeren Schmalseite gibt es eine weitere Skala, auf der ein Fuß in 100 Teile geteilt ist.
Das L-Skalenpaar (Line of Lines) ist in 100 gleiche Teile eingeteilt. Es kann zum Abgreifen des fehlenden Werts einer Proportion (3 : 4 = 5 : x) verwendet werden. Entsprechend eignet es sich auch für Multiplikation (1 : 3 = 4 : x) und Division (5 : 1 = 10 : x) .
Das S-Skalenpaar (Line of Secants) reicht von 0 bis 75. Greift man mit dem Steckzirkel auf einer Karte einer Entfernung ab und öffnet den Zirkel so weit, dass dieser Abstand zwischen die beiden Nullen der S-Skalen passen (etwas eingequetscht etwa neben der 25 der L-Skalen), so kann weiter rechts zwischen den Markierungen des Steigungswinkels der Strecke (z.B. 35°) ihre wahre Länge abgegriffen werden. Allgemein ist der Sekans eine Winkelfunktion, die das Verhältnis Hypotenuse : Ankathete angibt. Auf dem Taschenrechner würde man entsprechende Aufgaben mit 1/cos berechnen.
Das C-Skalenpaar (Line of chords) dient zum Zeichnen Winkeln. Greift man auf den Schenkeln eines Winkels einen Radius ab und öffnet den Proportionalzirkel so weit, dass der Radius zwischen die beiden C-Punkte passt, so kann man zwischen dem Zahlenpaar, das den Winkel angibt den tangentialen Abstand der Schenkel abgreifen. Entsprechend kann man auch Winkel zeichnen.
Das POL-Skalenpaar dient zum Zeichnen von Polygonen (regelmäßigen Vielecken). Legt man den Radius eines Kreises zwischen die beiden 6er auf den beiden Pol-Skalen, so kann man z.B. zwischen den beiden 8en die Seitenlänge eines dem Kreis einbeschriebenen regelmäßigen Achtecks abgreifen.
Skalen der Rückseite:
Für die Verwendung der drei Skalen am äußeren Rand wird der Proportionalzirkel ganz aufgeklappt. Sie dienen für Berechnungen.
Die N-Skala, auch Gunther-Skala genannt, ist eine logarithmische Skala über zwei Größenordnungen. Mithilfe des Stechzirkels kann man hier multiplizieren und dividieren.
Auf der S-Skala am Rand können logarithmierte Sinuswerte abgegriffen und in Berechnungen auf der N-Skala eingebracht werden.
Die T-Skala am Rand liefert die Logarithmen von Tangenswerte zur Verwendung in Berechnungen auf der N-Skala.
Die inneren Skalenpaare dienen dem Abgreifen von Linien in geometrischen Konstruktionen:
Die S-Skalen (Sinus) liefern die Länge der Gegenkathete. Man greift die Hypotenuse auf der Zeichnung ab und öffnet den Zirkel so weit, dass die Hypotenuse zwischen den Endpunkt (90) der Sinusskala passt. Dann greift man beim gewünschten Winkel die Länge der Gegenkathete ab.
Die beiden T-Skalen (Tangens) liefern entsprechend zu gegebener Ankathete die Länge der Gegenkathete. Die eine Tangensskala (großes T, Beginn beim Scharnier) ist dabei für Winkel bis 45 ° gedacht. Hier ist die Ankathete am 45°-Punkt ganz rechts einzustellen, bevor man auf der Skala beim gewünschten Winkel die Gegenkathete abgreifen kann. Liegt der Winkel über 45°, so muss die Länge der Ankathete zwischen die Anfangspunkte der zweiten Tangesskala (kleines T, Beginn mit 45° etwa neben dem Wert 14 der ersten T-Skala) gebracht werden. Rechts davon kann das Ergebnis abgegriffen werden.
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