Analog rechnende Geräte

Technische Systeme funktionieren heute meist im Dreischritt "Messen - Rechnen - Steuern". Sensoren messen einen Zustand, Computer verarbeiten die von den Sensoren gelieferten Daten und Motoren verändern den Ist-Zustand in der gewünschten Weise. Die Daten sind häufig analog, sie müssen also zunächst einmal digitalisiert werden, bevor sie verarbeitet werden können. Und die digital vorliegenden Resultate des Computers müssen wiederum oft einem analog funktionierenden Regler übergeben werden, um den erforderlichen Kraftaufwand sensibel zu steuern. Früher, als das numerische Rechen noch viel Zeit erforderte, versuchte man dagegen, Rechenvorgänge nur einmal durchzuführen oder ganz zu vermeiden und analoge Ausgangsgrößen analog anzuzeigen oder direkt zu verknüpfen und in andere analoge Größen zu übersetzen. Was der Unterschied zwischen analogen und digitalen Rechnern ist, erfahren Sie in diesem Video. Einen Überblick über analog rechnende Geräte liefert Wilfried de Beauclair in Mathematik ohne Ziffern. Einen Vergleich der Vorzüge analoger und digitaler Rechenverfahren gibt Andreas Brennecke imRechnerlexikon. Eine Sammlung elektronischer Analogrechner zeigt Bernd Ulman im Analogmuseum. Hinweise auf online einsehbare Literatur findet sich hier und hier und hier.

Nach einer von mehreren Theorien diente die etwa 4000 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra als analoger Kalender: "Die Horizontbögen überstreichen jeweils einen Winkel von 82 Grad, ebenso wie Sonnenauf- und -untergang zwischen Winter- und Sommersonnenwende am Horizont auf dem Breitengrad des Fundorts. Wurde die Scheibe waagerecht so auf dem Mittelberg positioniert, dass die gedachte Linie vom oberen Ende des linken Bogens zum unteren Ende des rechten Bogens auf die Spitze des etwa 85 km entfernten Brocken zeigt, konnte die Scheibe als Kalender zur Verfolgung des Sonnenjahrs genutzt werden."
(Text und Grafik: wikipedia)
 
Der älteste bekannte mechanische Analogrechner stammt aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Es ist der Mechanismus von Antikythera, der das Sonnensystem nachbildete und z. B. die Vorhersage von Sonnen- und Modfinsternissen erlaubte.

Das Wissen über astronomische Zusammenhänge ging in der Folgezeit verloren. Erst im 16. und 17. Jahrhundert bauten Astronomen wie Wilhelm Schickard und Philipp Matthäus Hahn, wieder Himmelsgloben und Weltmaschinen mechanische Weltmodelle. (Foto: Ausschnitt aus der Weltmaschine im Landesmuseum Darmstadt)  
 
Von Philipp Matthäus Hahn stammt auch diese Neigungswaage. Auf der linken Seite, am Zeigerarm ist ein Gewicht befestigt, an einer von mehreren Positionen des Hebels das zu wiegende Objekt. Mit der Neigung des Arms bewegt sich der Zeiger. Das Gewicht des Gegenstands kann auf der zum Befestigungsabstand korrespondierenden Skala abgelesen werden. (Foto: Hahn-Museum Onstmettingen)

Getriebeübersetzungen kann man zum Zahlenrechnen benutzen. Hier ein Getrieberechner von Leonardo Torres Quevedo (1895) zur Bestimmung der reellen und komplexen Lösungen kubischer Gleichungen.

Eine Räderwerk zur mechanischen Berechnung von Funktionstabellen  hatte bereits Charles Babbage ab 1822 entwickelt, aber mangels finanzieller Unterstützung durch den Staat nur als Funktionsmodell fertigstellen können. Die  "Differenzmaschine" funktioniert jedoch nicht analog, sondern digital, denn sie besteht aus einer Kombination von Zählwerken, die sprungweise laufen.

 

Noch komplizierter wird es, wenn die Übersetzung veränderbar sein soll. Rechts abgebildet ist das Display einer Zapfsäule. Das untere der beiden großen Zählwerke läuft analog mit der Pumpe und zeigt die getankte Benzinmenge an, das obere zeigt den zu zahlenden Preis. Über jedem der beiden großen Zählwerke befindet sich ein kleines grünes Zählwerk, das die insgesamt getankte Menge bzw. die gesamte Einnahme anzeigt. Die kleinste Stelle läuft jeweils stufenlos, die Zählwerke selbst aber funktionieren mit digitalem Zehnerübergang.

Mithilfe der drei Zahlenwalzen am unteren Rand kann der Tankwart den Preis pro Liter verändern. Die Kopplung von Menge und Preis geschieht hier analog, aber über ein gestuftes Schaltgetriebe.

Für die variable Übersetzung zweier Drehzahlen gibt es aber auch stufenlose Lösungen, so etwa das DAF Variomatic Getriebe für Autos oder das nuVinci-Getriebe für Fahrräder.



Mechanische Zahlenrechner arbeiten in der Regel digital. Nachdem das Einerzahnrad eine volle Umdrehung von 1 bis 9 zurückgelegt hat, wird beim Übergang von der 9 zur 0 das Zehnerrad um eine Stelle mitgenommen. Mechanische Ungenauigkeiten  werden durch Raststellungen eliminiert.
 
Aber es gibt auch komplizierte Mechaniken, die auf einem analogen Fundament aufbauen. Ein Beispiel dafür ist das Addierwerk der Maschine von Tschebyschew, die auf einem Planetengetriebe mit Übersetzungen von jeweils 10:1 basiert.
Hans Körnwien skizziert in seinem Buch "Graphisches Rechnen" von 1949 auf Seite 259 ein einfaches Gestänge, mit dem man drei Zeiger (oder Regler) in ein festes Verhältnis zueinander setzen kann. Im Beispiel wird auf drei gleichen linearen Skalen aus den beliebig einstellbaren Zahlen a und b das arithmetische Mittel gebildet.
Durch die Verwendung unterschiedlicher Skalenweite (Zahnradgröße)  oder den (teilweisen) Einsatz logarithmischer Skalen ist dieses System vielfältig variierbar.

 
Im Lehrbuch  "Graphisches Rechnen" von Hans Körwien findet sich auf Seite 261 auch die Skizze einer Vorrichtung, mit der den beiden Anzeigen (oder Reglern) a und b ein festes Produkt c zugeordnet werden kann. Ändert sich a, so passt sich b an und umgekehrt, aber das Produkt bleibt erhalten. Durch Einstellung einer Kurbel c kann das gewünschte Produkt verändert werden. Der Körper K ist so geformt, dass die Hyperbeln einer Hyperbeltafel mit allen Zwischenwerten stufenlos darauf abgegriffen werden können.
Der Schnellkalkulator System Bloch ist ein mechanisches Nomogramm mit 7 logarithmischen Skalen über zwei miteinander verbundenen Hebeln und einem drehbaren Flügel.
Er dient zur Kalkulation von Akkordzeiten für  Dreh-, Bohr-, Fräs- oder Hobelarbeiten an spanabhebenden Maschinen. Das Gerät liefert nach Einstellung von Länge und Breite oder Durchmesser eines Werkstücks, der  Umdrehungsgeschwindigkeit und dem Vorschub pro Umdrehung der Maschine die Bearbeitungszeit in Minuten.
Animation (Schnellkalkulator)
Zu diesem Analogrechner existiert eine Abwandlung, mit der man das Volumen und Gewicht der erzeugten Fräs- und Drehteilen bestimmen kann.
Animation (Gewicht-Schnellrechner)
 
Dieser Universal-Gleichungslöser für Polynome 3. Grades wurde bereits von Leibniz erdacht und von Janos Segner (1704-1777) in der Enzyklopädie von Diderot und d'Alembert als Entwurf veröffentlicht, aber erst im 20. Jahrhundert tatsächlich gebaut. Näheres Website  
Kompliziert geht es im Inneren des  Stabilogauge zu. Das ist ein "analoger Schiffsstabilitätsrechner. Die Nutzlasten 'Deck Load', 'Upper 'Tween Deck', 'Lower 'Tween Deck', 'Nos 1-4 Holds & Deep Tanks' und 'Double Bottom Tanks' und die 'Density Correction und 'Free Surface Correction' werden über Mikormeterschrauben eingegeben. Deadweight (tons)', 'Displacement (tons)' und 'Mean Draft (feet)' werden auf der horizontalen Skala abgelesen und 'GM' (Metazentrische Höhe) auf der vertikalen Skala. Verschwindet der GM-Zeiger unter der roten Flagge, ist das Schiff instabil. Die Position der roten Flagge ist nicht konstant. Sie hängt ab von allen Mikrometerschraubeinstellungen. Wenn die rote Flagge im GM-Fenster sichtbar ist, ist das Schiff im Schadensfall möglicherweise nicht stabil genug."
Text und Bild: Andries de Man im Rechnerlexikon
Ein Gerät nach anderem Prinzip, aber mit ähnlicher Funktionalität ist Eriksberg's Loading Guide nach dem System von Thorsten Andersson. Es wurde 1954 speziell für den Tanker T/T Tarim entworfen.
Bei Frachtschiffen ist es wichtig, die Ladung gleichmäßig in die Laderäume zu verteilen. Hängt der Bug oder das Heck zu tief, so ist das Schiff schwer zu steuern. Konzentriert sich die Ladung auf die Mitte (Sagging) oder die beiden Enden (Hogging), so verzieht sich der Schiffsrumpf und wird bei Seegang starken Belastungen ausgesetzt.
Mit diesem analogen Addierer kann man die Ladung eines Frachtschiffes vor dem Beladen so über die Länge des Schiffes verteilen, dass das Schiff horizontal im Wasser liegt (Trimmen) und der Rumpf gleichmäßig belastet wird (Stress). Außerdem kann der aus dem Gesamtgewicht der Ladung resultierende Tiefgang ermittelt werden. Wo die in Fuß angegebene Trimmzahl (Neigung des Schiffsrumpfs) gemessen wird, wie sie ausgeglichen werden kann und wie die Spannung in die grafisch angegebenen Toleranzgrenzen gebracht wird, ist der beigefügten Anleitung nicht zu entnehmen.

http://rechnerlexikon.de/artikel/Eriksbergs_Loading_Guide
Animation Excel-Version  (Bild: W. Schumann)

 
Bei einem mechanischen Tachometer wird die Umdrehung des Rades mit einem Haken abgegriffen und mit einer Welle zum Tacho übertragen. Dieser rechnet über ein kleines Getriebe die Anzahl der Radumdrehungen in Kilometer um und gibt sie auf ein Zählwerk.
Eine Metallglocke dreht sich dabei gleichzeitig um einen an der Tachonadelachse befestigten Dauermagneten und erzeugt dabei magnetische Wirbelströme. Abhängig von der Drehzahl wird die Achse gegen eine Feder unterschiedlich stark mitgenommen. Der Zeiger des Tachos bewegt sich dabei über eine Skala (UpM / km/h).
Die Funktion Zeit -> Geschwindigkeit (Tachonadel) ist die erste Ableitung der Funktion Zeit -> Weg (Kilometerzähler).
Umgekehrt ließe sich aus der Funktion Zeit -> Geschwindigkeit die Funktion Zeit -> Weg gewinnen. Hierzu benötigt man einen "Reibradintegrierer" Auf einer Integrierscheibe D dreht sich eine Rolle W. Diese wird bei hoher Geschwindigkeit an den äußeren Rand der Scheibe geführt und dreht sich dort entsprechend schneller als weiter innen. (Abbildung aus: Karplus, Soroka: Analog Methods - Computation and Simulation. New York 1958)
Ein analoger Integralrechner, mit dem man Flächeninhalte messen kann. Der Rand einer Figur wird mit einem Stift umfahren. Dabei registriert eine mitlaufende Rolle die Dreh- und Schubbewegungen des Fahrarms. Während die Drehbewegungen sich in der Summe gegenseitig aufheben, ergibt die Summe der Schubbewegungen ein Maß für den Flächeninhalt der umfahrenen Figur. Dieser kann auf drei bis vier Stellen genau abgelesen werden. 
Wie funktioniert ein Planimeter
Eine Maschine zur Berechnung von Gezeiten von 1920. Die rückseitige Beschriftung der Postkarte lautet: "Uncle Sams mechanischer Prophet.". Auf der Aufnahme von der Rückseite kann man all die kleinen Räder erkennen, die zusammenarbeiten um die Zahlenfülle einer Gezeitentabelle zu erzeugen, die von den Küstenbehörden und geodätischen Ämtern in Washington veröffentlicht werden. Das Gerät berücksichtigt gleichzeitig 37 Einflussfaktoren, darunter die relative Position von Sonne, Mond und Erde und die Form des Hafens. Es berechnet die Zeit und Höhe des Hoch- und Niedrigwassers für hunderte von Häfen. Die interne Toleranz der Maschine beträgt 1/600 Zoll.


 

Das 19. und das frühe 20. Jahrhundert waren die große Zeit analoger Mess- und Steuerungssysteme. Fliehkraftregler steuerten die   gleichmäßige Kraftabgabe von Dampfmaschinen und Wasser-kraftwerken. Bordrechner halfen bei der Last-verteilung, Kreiselkompasse bei der Steuerung von Schiffen. Mechanische Analogrechner halfen als Feuerleitsysteme, um bereits beim Abschuss von Torpedos die Bewegung des feuernden Schiffes und des Ziels zu berücksichtigen.

Zur Steuerung und Stabilisierung von Raketen wurden die Signale der Messeinrichtungen mittels elektronischer Analogrechner summiert, multipliziert oder integriert. Digitalrechner wären viel zu langsam gewesen. 

Hier ein früher Analogrechner zur Flugsimulation
Der MONIAC (Monetary National Income Analogue Computer), auch bekannt als Phillips Hydraulic Computer oder Financephalograph ist ein Analogcomputer, der mittels Wasserflüssen (Fluidik) den Geldfluss durch eine Volkswirtschaft simuliert. Der Computer wurde 1949 vom neuseeländischen Ökonomen und Erfinder Alban W. Phillips entworfen und zusammengebaut, während Phillips noch Student der London School of Economics (LSE) war. Etwa vierzehn Exemplare des MONIAC wurden gebaut. Der MONIAC konnte komplexe Berechnungen vornehmen, die von anderen Computern dieser Zeit nicht verarbeitet werden konnten. Verschiedene Wassertanks simulierten Haushalte, Wirtschaft, Staat, Export und Import. (Wikipedia)

Ein einfacher elektronischer Analogrechner ist der Edmund Analog Computer. Damit können numerische Multiplikationen und Divisionen (mithiilfe der Skalen auch von Sinus-, Kosinus- und Tangenswerten gegebener Winkel) durchgeführt werden. Man stellt mit dem linken Drehknopf den ersten Faktor ein, der mittlere Drehknopf wird auf den zweiten Faktor gestellt und der rechte Drehknopf solange gedreht bis bei gedrücktem Testknopf auf der Anzeige die Nullstellung erreicht ist. Dann kann auf der rechten Skala das Ergebnis abgelesen werden. Das Ganze funktioniert wie eine Potentiometerschaltung mit drei Potis und wird von zwei 1,5-Volt-Batterien gespeist. Die Zeiger an den Potis können zur Eichung und Verbesserung der Genauigkeit mit Madenschrauben verstellt werden.
Popular Electronics Dezember 1961

Während das vorhergehende Gerät als Bausatz für Bastler auf den Markt kam, war das nebenstehend abgebildete Gerät offenbar ernsthaft als analoger Taschenrechner gedacht. Der MATH-O-MATIC Star-lite NOMT- 660 wurde etwa in den 60er Jahren (also noch vor den digitalen Taschenrechnern) in Japan hergestellt. Er ist etwa 15cm x10cmx4cm groß.

Wer ihn kaufte und wozu er eingesetzt wurde, bleibt im Dunkeln. Ausweislich seines Einstellrads beherrschte er Multiplikation, Division Prozentrechnung und sogar Quadrieren und Wurzelziehen.

Photo courtesy of Professor Mohamad H. Hassoun, Detroit, Michigan, USA

 

 

Nachdem elektronische Analogrechner in den 1970-er Jahren fast ausgestorben waren, werden heute wieder neue Geräteentwickelt und mit Digitalrechnern zu Hybridsystemen kombiniert.

Dies ist "The Analog Thing", ein analoger Lerncomputer. Er enthält analoge elektronische Schaltungen (Potentiometer, Summierer, Inverter, Multiplizierer und Integrierer), die man durch individuelle Verkabelung zum Modell eines Ablaufs kombinieren kann. Messwerte werden dabei nicht in Zahlen übersetzt und es gibt keinen Algorithmus, der im Speicher abgelegt und von einem Prozessor schrittweise abgearbeitet wird. Ein- und Ausgabe erfolgen durch Übergabe von Signalen  zwischen -1 Volt und 1 Volt. Die Ziffernanzeige dient zur Anzeige der Spannung an jedem Punkt der Schaltung, außerdem zur Einstellung der acht Potentiometer. Signalverläufe lassen sich mit einem Oszilloskop anzeigen.
Das Gerät enthält vier Addierer, zwei Multiplizierer, fünf Integrierer und zwei Vergleicher.

Rechenwerkzeug.de