Ein Abakus für Blinde

RECHENMASCHINEN: 

aus "The Saturday Magazine" vom 4. Februar 1841 
Teil 2a: Der Apparat von SAUNDERSON 
Original

In unserem letzten Artikel zu diesem Thema haben wir versprochen eine geniale Erfindung von Dr. Saunderson zu beschreiben, mit dem man Rechenvorgänge im Dunkeln durchführen kann. Diese bemerkenswerte Persönlichkeit, die 1682 geboren wurde, ist ein lehrreiches Beispiel dafür, wie Energie und Beharrlichkeit dazu dienen kann, um Übel furchtbarer und beängstigender Natur zu überwinden. Als er nur ein Jahr alt, er verlor er sein Augenlicht durch einen Pockenanfall; und weil er schon als Säugling des Segens des Lichts beraubt worden war, war die Unkenntnis von dessen Natur und seiner Eigenschaften fast so, als wäre er blind geboren worden. Doch so groß war die natürliche Stärke und Intelligenz seines seinen Verstandes, dass er alle üblichen Zweige des Schulunterrichts absolcierte und schließlich Professor für Mathematik an der University of Cambridge wurde, einer der angesehensten intellektuellen Institutionen in England.

Im Zuge seiner mathematischen Aufgaben musste er viele aufwendige Berechnungen durchführen. Und noch mehr war dies notwendig, um eine Abhandlung zu veröffentlichen, die gemessen an den Umständen, unter denen sie entstand, zu den einzigartigen Werken gezählt werden muss: sein „Treatise on Agrebra“ in zwei großen Bänden. Da die üblichen Art, mit Stift oder Feder zu rechnen, für ihn offensichtlich wertlos war, musste er eine Methode entwickeln, mit der er die Ziffern fühlen konnte, die er arrangierte und eine „greifbare Arithmetik“ aufstellen konnte. Wir fahren also fort, den Plan zu beschreiben, den er angenommen hat.

Sein Rechentisch war ein glattes dünnes Brett, ungefähr ein Quadratfuß [25x25 cm], das erhöht auf einem kleinen hohlen Rahmen auflag liegen. Diese Tafel war mit einer großen Anzahl von parallelen Linien, die im rechten Winkel von einer weiteren Anzahl paralleler Linien geschnitten wurden, wodurch jeder Quadratzoll der Oberfläche des Brettes in 100 kleine Quadrate [von 2,5x2,5 mm] unterteilt wurde, jedes Quadrat ist in vier unterteilt. Bei jedem Schnittpunkt zweier Linien wurde das Brett perforiert, sodass man einen Stift hinein stecken konnte. Saunderson hatte immer zwei Kisten griffbereit, gefüllt mit Stecknadeln in zwei verschiedenen Größen oder zumindest mit Köpfen in zwei verschiedenen Größen; denn es war das Fühlen der Stiftköpfe, das ihn in die Lage setzte zu rechnen.

Die spezielle Position entweder eines einzelnen oder zweier zusammengehöriger Stifte gab eine bestimmte Ziffer an. Zu diesem Zweck wurden jeweils vier kleine Quadrate angeordnet wie in Figur 1. Für jede Ziffer wurde eine große Nadel  in der Mitte platziert. Lediglich für die 1 wurde die große Nadel durch eine kleine ersetzt.

Für die Ziffern 0 und 1 umgaben keine Pins den mittleren, aber für alle Ziffern von 2 bis einschließlich 9 war ein kleiner Stift in der Nähe des mittleren dicken platziert, und die Position dieses  zweiten Pins bestimmte die von ihm angezeigte Ziffer: Wenn er über, unter oder neben dem zentralen Stift platziert war, wurden gerade Zahlen 2, 4, 6, 8, wenn er aber diagonal platziert war, die ungeraden Zahlen 3, 5, 7, 9 damit ausgedrückt. All dies ist auf einen Blick in Figur 1 zu sehen.

Das Symbol für jede Ziffer ist so festgelegt und es ist leicht vorstellbar, dass jede naürliche Zahl, ob groß oder klein, durch eine Ansammlung solcher Symbole ausgedrückt werden könnte. Diese Tabellentafel war groß genug, um sehr viele solcher Symbole zu enthalten; denn der Platz, der jedem Ziffernsymbol gewidmet war, war nur ein Fünftel eines Quadratzolls: ein schmaler freier Raume trennt es auf jeder Seite von benachbarten Symbolen. Die großen Pins, die in der Regel im gleichen Abstand die Zentren besetzten, waren für Saunderson ein Anhaltspunkt um die Form  jeder Ziffer zu ermitteln und vermieden Mehrdeutigkeiten, die ohne sie hätten entstehen könnten. Wie drei der vertikalen Parallelen ausreichend waren für eine einzelne Ziffer, so reichen drei waagrechte Linien aus für die Ziffern einer Zahl; und die nächsten drei für eine weitere Zahlzeile und so weiter.

Wenn eine die Anordnung rechts die Einerziffer erkennen ließ, dann war die direkt links daneben die Zehnerstelle und so weiter; und da die Zahlen so ausgedrückt wurden, wie man sie auch schreibt, ist offensichtlich, dass alle üblichen Berechnungen in der gleichen Reihenfolge durchgeführt werden können wie mit Bleistift oder Kugelschreiber, vorausgesetzt der Tastsinn war ausreichend empfindlich, um die großen mittleren Stifte und relativen Positionen der kleinen Stifte sofort zu erkennen. In dieser Hinsicht sind Blinde oft bemerkenswerte Experten, denn für ein Medium der Außenwelt, das ihnen verschlossen ist, wird ihre Aufmerksamkeit mit stärkerer Intensität auf die verbleibenden gelenkt.

Saunderson konnte die Stifte mit unglaublicher Begabung und Geschwindigkeit platzieren und verschieben. Er konnte eine Berechnung auch mitten in einer Rechnung  unterbrechen und sie wieder aufnehmen, wann es ihm gefiel, indem er einfach mit den Fingern sanft über das Rechebrett glitt. Figur 2 stellt einen Teil einer Tabelle dar, die von Dr. Saunderson hinterlassen wurde und die er für den Eigenbedarf arrangiert zu haben scheint.

Die Oberfläche der Tafel ist gesehen in winzige Quadrate unterteilt, von denen hundert in einem Quadratzoll enthalten sind. Wenn wir diese Linien in Pakete von drei in der Breite und drei in der Höhe zusammenfassen, wird jedes Paket einer Ziffer zugeordnet. Wir haben dann acht Zahlenzeilen, eine unter der anderen und jede Zeile enthält fünf Ziffern bis zu den Zehntausendern.

Solange die Anordnung der Stifte nicht durcheinander kommt, ist es offensichtlich, ist so ein Steckbrett eine permanente Aufzeichnung, auf die man sich  zu jeder Zeit beziehen kann, und es scheint, dass dieser Zweck für Saunderson besonders wertvoll war.

Nach Saundersons Tod wurden vier Steckbretter gefunden, elf Zoll lang und fünfeinhalb breit [annähernd DIN A4], und einen halben Zoll [gut einen Zentimeter] dick, durch Linien in der Weise geteilt zuvor beschrieben und an den Kreuzungspunkten perforiert. Auf diesen Brettern waren Stifte angeordnet, um kleine Tabellen zu bilden, die scheinbar eine Verbindung mit Sinus, Tangens und Winkelsekans darstellten. Er nutzte seine Tafeln auch für geometrische Diagramme, wobei er an bestimmten Stellen Nadeln einsteckte und ein Stück feinen Faden oder Seide von einer Nadel zur anderen zog: Die Stifte zeigten Winkel oder Ecken und der Faden zeigte gerade Linien und eine grobe Annäherung an gekrümmt Linien konnte erzeugt werden, indem die Stifte sehr nah zusammen platziert wurden.

Dies ist ein kleiner Umriss der Mittel, mit denen der Professor versuchte, das zu bewirken, was für einen Blinden fast unerreichbar sein könnte. Es wird sein leicht zu erkennen, dass viele andere Arten von greifbarer oder fühlbarer Arithmetik entwickelt werden könnte, die mehr oder weniger Ähnlichkeit zu der von Saunderson hat.

 

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