Arithmomètre
Neue Rechenmaschine
von Herrn Thomas (aus
Colmar)
(aus der Zeitschrift "L’Illustration Journal Universel" vom 20.10.1849) Originaltext ►Fotos
Wir kündigen Ihnen am Beginn unseres Artikels an, dass wir uns mit einer neuen Rechenmaschine beschäftigen werden. Eigentlich müssten wir sie eher alt nennen, denn sie geht auf Herrn Thomas (aus Colmar) zurück, stammt aus dem Jahre 1818 und wurde 1820 patentiert. Seit dieser Zeit hat Herr Thomas sie vervollkommnet, vereinfacht und verbessert und ihr eine größere Stellenzahl gegeben. Aber das Prinzip ist gleich geblieben, und dieses Prinzip ist schon 1821 als ausgezeichnet beurteilt worden von der Gesellschaft zur Förderung der Nationalen Industrie, und zwar von von Herrn Francoeur, einem Fachmann auf ähnlichem Metier.
Aber seit dieser Zeit ist Herr Thomas nicht
untätig geblieben: Obwohl seine Maschine mit großer Leichtigkeit genaue
Ergebnisse lieferte, zeigte sie noch einige Schwierigkeiten. So machte er
sich zur Aufgabe, die Maschine zu einer noch einfacheren Bedienung zu
bringen, so dass man sie nicht nur als eine schöne Sehenswürdigkeit
betrachten sollte, welche das Arbeitszimmer eines Mathematikers zieren
könnte, sondern durch ihren Preis erschwinglich werden sollte für alle
diejenigen, die der Handel, die Industrie oder die Spekulation dazu zwingen,
täglich viele Rechenoperationen durchzuführen.
Also ist es Herrn Thomas nach 30 Jahren
ständiger Arbeit gelungen, die Rechenmaschine herzustellen, die einige
unserer Leser auf der Industrieausstellung sehen konnten. Von dieser
Maschine wiederum hatten wir in unserem Büro ein Exemplar stehen, das sofort
Produkte aus zwei fünfstelligen Faktoren ausrechnen kann.
Es geschah jedoch nicht ohne immense
Schwierigkeiten, dass der Erfinder ein solch wunderbares Ergebnis erreichen
konnte, denn er ist selbst kein Mechaniker, und so sah er sich genötigt,
sich an Facharbeiter zu wenden, denen er erst einmal seine Vorstellungen
erklären musste; Vorstellungen, die nicht immer schon ausgereift waren und
die die Arbeiter weder unterstützen noch korrigieren, ja manchmal noch nicht
einmal verstehen konnten. Ein einziger von ihnen, ein junger Mann namens
Piolaine, Sohn eines Uhrmachers in Neuilly, hatte sich als ziemlich klug
erwiesen und angefangen, eine Maschine nach einem völlig neuartigen System
zu bauen; er hatte sie fast fertiggestellt, als 1848 der Tod kam, um ihn
dahinzuraffen. Der Bau der Maschine war jedoch schon weit fortgeschritten,
so dass man sie fertigstellen konnte und wir sie vor einigen Tagen in
Funktion haben sehen können.
Dass wir hier eine so lange Vorrede halten,
geschah, weil unsere Zeitschrift im letzten April von der einfallsreichen
Rechenmaschine der Herren Maurel und Jayel gesprochen hat, und ohne hier
einen Vorteil herauszustellen oder die Frage zu diskutieren, ob der Vorzug
diesen beiden Erfindern oder Herrn Thomas zu geben ist, erschien es uns in
unserer Unparteilichkeit nützlich und gut, einen Platz in unseren Spalten
der Beschreibung eines Apparats einzuräumen, dessen ursprüngliche Idee schon
von 1818 stammt und dessen mechanische Teile nur verbessert und vereinfacht
wurden. Denn wir müssen hier festhalten: Wenn man die aktuelle Maschine mit
der Zeichnung in der Zeitschrift der Gesellschaft zur Förderung der
Nationalen Industrie vergleichen, erkennt man leicht, dass das Prinzip
absolut gleich geblieben ist und die Verbesserungen nur darin bestehen, dass
die mechanischen Teile besser angeordnet sind und einzelne von ihnen
eingespart wurden.
Der ohne Zweifel schwierigste Teil unserer
Aufgabe besteht nun darin, diese Maschine zu beschreiben, ohne dass ein
Schaubild uns zu Hilfe kommen könnte. Wenn es sich um Zahnräder handelt, die
mit mehr oder weniger Zähnen ausgestattet sind, um Ausklinkvorrichtungen und
um mikroskopisch kleine schräge Ebenen, dann reicht die Sprache nicht aus,
und so viel sprachliche Anschaulichkeit man auch darauf verwenden mag, ist
es unmöglich, dass der Leser alles restlos verstehen könnte. Also müssen wir
uns darauf beschränken, eine Vorstellung des Mechanismus zu vermitteln, in
der Hoffnung, dass die Intelligenz unserer Leser unser Ungenügen ergänzen
möge, oder, was noch viel besser wäre, dass Herr Thomas bald eine
Beschreibung seiner Maschine mit den Konstruktionszeichnungen zur
Unterstützung veröffentlichen möge.
Wir haben oben schon gesagt, dass die
Maschine mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit die vier Grundrechenarten
der Arithmetik durchführt; wir wollen hier noch hinzufügen, dass sie ebenso
zum Ziehen der Wurzel dient. Ihre Konstruktion ist auf den folgenden
Grundsätzen aufgebaut:
1.
Die Multiplikation ist die verkürzte Addition einer Größe mit sich selbst.
2. Die Division ist eine verkürzte Substraktion,
deren Ziel es ist zu erkennen, wie viele Male eine Größe in einer anderen
enthalten ist.
Der „Arithmomètre“, dessen Abbildung wir
oben präsentieren, besteht aus zwei Teilen. Der eine, nämlich der vordere,
enthält den gesamten beweglichen Mechanismus, der hintere das Ergebnis.
Zwischen zwei Kupferplatten oben und unten, die durch vier Säulen verbunden
sind, ist das System des Multiplikanden, des Multiplikators und des ganzen
Bewegungsapparates untergebracht. In die obere Kupferplatte sind so viele
Schlitze eingefräst, wie der Multiplikand Ziffern haben kann (auf unserer
Zeichnung sind es fünf); dazu gibt es links einen zusätzlichen Schlitz für
den Multiplikator. In diesen Spalten lässt man Schieber hin- und hergleiten,
um die Ziffern des Multiplikanden und eine Ziffer des Multiplikators zu
markieren.
Unter der Platte im hinteren Teil des
Kastens sind runde Scheiben angebracht, von denen jede zehn Ziffern von 0
bis 9 trägt, die durch kleine runde Anzeigefenster die erhaltenen Produkte
angeben. Diese Platte kann sich heben und auf einer stählernen Stange, die
ihr als Scharnier dient, an der Rückseite des Kastens entlanggleiten, um auf
diese Weise die die Einer, Zehner, Hunderter der Ziffernscheiben
gegenüber den Einern, Zehnern und Hundertern im vorderen Teil verschieben zu
können.
Der Mechanismus setzt sich für die fünf
Ziffern des Multiplikanden zusammen aus fünf geriffelten Zylindern, aber nur
auf neun Zwanzigsteln ihrer Oberfläche, das heißt, dass ihr Umfang in 20
Teile eingeteilt ist und die Rillen nur neun dieser Teile besetzen, aber sie
bestimmen nicht die ganze Länge und sind in Zehntel eingeteilt in Form einer
Treppe, um die Ziffern des Multiplikanden von 0 bis 9 Zehntel darzustellen.
Im Inneren jedes dieser Zylinder befindet
sich ein weiterer Zahn, der von einer Schraubenfeder herausgedrückt wird und
dazu dient, den Abzug zu markieren, von dem wir gleich noch sprechen werden.
Alle diese Zylinder sind mit einem Zahnrädern ausgestattet, die dem
Multiplikator entsprechen, und mit Winkelrädern, die durch Zahnräder mit den
Zifferscheiben verbunden sind.
Der Zylinder des Multiplikators ist
spiralförmig geschnitten, und zwar auf folgende Art: Wenn der Schieber in
dem Spalt bis zu der Ziffer gezogen ist, mit der man multiplizieren will,
macht er so viele Umdrehungen, wie es Einer in dieser ZIffer gibt, und da
alle Zylinder Räder haben, die mit Zähnen ineinandergreifen, machen alle
zusammen die gleiche Anzahl von Umdrehungen.
Nachdem dies klargestellt ist, werden wir
versuchen, verständlich zu machen, wie die Maschine funktioniert, und zwar
an einem sehr einfachen Beispiel. Nehmen wir einmal an, man habe 5 mal 3 zu
multiplizieren. Wir führen den Schieber für die Einer (erste Spalte A
rechts) auf die Ziffer 5 und den Schieber des Multiplikators auf die Ziffer
3: Dieser keilförmige Zylinder wird also drei Umdrehungen machen müssen, um
an seinen festen Punkt zu gelangen oder, anders ausgedrückt, die Zahl 5 wird
zweimal sich selbst hinzugefügt. Die erste Umdrehung führt auf der ersten
Ziffernscheibe rechts (Scheibe für die Einer) zur Zahl 5, indem sie
nacheinander unter den Augen des Lesers die Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5
vorübergehen lässt. Wenn die Ziffer 5 erscheint, bleibt die erste Umdrehung
stehen, ohne dass sich die Ziffernscheibe bewegt, und das wird man
verstehen, wenn man sich daran erinnert, dass die Rillen des
Multiplikanden-Zylinders in treppenförmiger Art eingeschnitten sind, was
dazu führt, dass der Schieber nur auf die Anzahl der Rillen reagiert, die
der zu multiplizierenden Zahl entspricht. Bei der zweiten Umdrehung sieht
man auf der Zifferscheibe folgende Zahlen vorübergehen: 6, 7, 8, 9 und
schließlich 0. Aber in diesem Moment beginnt die Rolle des Zahns, der, wie
wir schon gesagt haben, in dem Zylinder verborgen ist und durch eine
Schraubenfeder unter Druck steht. Wenn man bei der 0 angelangt ist, kommt
dieser Zahn heraus, greift mit weiteren Zahnrädern in die nächste
Ziffernscheibe links ein, vermittels einer schrägen Ebene und einer
Sperrklinke, die wir ohne Zeichnung nicht besser erklären können, und lässt
diese Ziffernscheibe (die für die Zehner) sich weiterdrehen. Also zeigt sie
jetzt 1 an, und die Ziffern, die man auf den beiden Scheiben lesen kann,
ergeben eine 10, und wenn sich jetzt die Umdrehung vollendet, geht der
zehnte Zahn, der des Übertrags, auf eine weitere schräge Ebene über und
kehrt in den Zylinder zurück. Eine dritte Umdrehung wird ausgeführt, und man
gelangt schließlich zu der Zahl 15.
Wenn man mit 4 statt mit 3 multipliziert
hätte, hätte die vierte Umdrehung erneut den Übertrags-Zahn herausgeholt,
der die Ziffernscheibe der Zehner auf eine weitere Zahl gedreht hätte, dann
hätten die beiden Scheiben eine 20 angezeigt.
Was wir gerade eben mit der größtmöglichen
Klarheit gesagt haben, wird genügen, um den bewundernswerten Mechanismus
verständlich zu machen, den wir beschreiben wollten und in dem uns
zweifellos der genialste Teil in dem Übertrags-Zahn zu liegen scheint. Jetzt
kann man sich der Art und Weise bewusst werden, in der sich die
Rechenoperationen vollziehen.
Wenn es um die Addition geht, stellt man die
erste Zahl, die man addieren will, auf den Schiebern der Spalten rechts ein,
und um sie auf die Ziffernscheiben zu übertragen, stellt man den Schieber
auf der linken Seite auf die Ziffer 1 ein, denn es ist so, als ob man die
Zahl mit 1 multiplizieren würde; dann dreht man die Kurbel einmal herum, und
die Zahl findet sich auf den Ziffernscheiben wieder. Auf die gleiche Art
trägt man die zweite Zahl ein, man stellt wieder den Schieber auf die Ziffer
1 ein, und eine weitere Umdrehung der Kurbel transportiert sie auf die
Zifferscheiben, wo sie sich gleich zur ersten Zahl addiert wiederfindet, und
so weiter und so fort. Das bedeutet, dass sich die Addition von allein
vollzieht, sobald man die Zahlen eingetragen hat.
Was die Multiplikation betrifft, so haben
wir deren Mechanismus soeben schon in allen Einzelheiten erklärt: Man
multipliziert nacheinander mit jeder Ziffer des Multiplikanden, aber man
muss dabei beachten, je nachdem ob man mit Zehnern, Hundertern usw.
multipliziert, dass man die Platte der Ziffernscheiben jeweils um eine Kerbe
von links nach rechts verschiebt, um die Einer, Zehner usw. zu befreien,
damit diese Zahlen nicht mehr von den Ergebnissen der vorhergehenden
Operation betroffen sind.
Was die Subtraktion und die Division angeht, die umgekehrten Operationen der
zuvor beschriebenen, genügt es, mit Hilfe einer Nadel die Ziffernscheiben zu
entkoppeln und sie in umgekehrter Drehrichtung zu koppeln.
Wir hoffen nun, dass die schnelle
Beschreibung, die wir soeben skizziert haben, verständlich genug war, um
unseren Lesern eine Vorstellung von dem „Arithmomètre“ des Herrn Thomas zu
vermitteln. Was uns betrifft, können wir nur versichern, dass wir höchst
entzückt von diesem Apparat waren, von der Sicherheit, mit der er
funktioniert, und der Schnelligkeit, in der er die Ergebnisse produziert. Es
bleibt uns nur, einen Wunsch zu formulieren: dass Herr Thomas sehr bald zu
einer laufenden Produktion gelangen wird und uns dieses Produkt mit zehn
Ziffern zu einem Preis von 100 Francs oder 125 Francs liefern können wird,
wie er es uns versichert hat. Wir garantieren ihm einen unglaublichen Erfolg
und einen ungeheuren Absatz, denn in unserem näheren Umkreis kennen wir
schon mehrere Industrielle, denen wir diesen Apparat beschrieben haben und
die uns danach ihre Absicht erklärt haben, mehrere Exemplare davon für ihre
Fabriken zu kaufen.
Das Beispiel, das auf der Zeichnung zu sehen
ist, ist die Multiplikation der Zahl 76.948 mit der Zahl 9. Die Operation
ist fertig durchgeführt, denn der Schieber, der den Multiplikator anzeigt
(vierte Spalte auf der linken Seite) ist bei der Ziffer 0 angekommen. Das
Ergebnis dieser Multiplikation, das man auf den kleinen Zifferscheiben oben
ablesen kann, beträgt 692.532.
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